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Bäume leben lange. Ein Baum begleitet mehrere Generationen von Menschen. Geht man von 25 Jahren für eine Generation aus, dann würde das heiß...

Samstag, 23. Juli 2016

Menschen im Park II

"Aber die Schwarzen sind ordentlich!", sagte sie, "zum Teil sogar ordentlicher als die Anwohner!"

Mann kommt ins Gespräch, nachmittags auf der Hundewiese. Zunächst ist der Anknüpfpunkt die Esskastanie.
"Gibt es irgendwas Besonderes an diesen Kastanien?".
"Nein", denke ich, "aber sie sind einfach zu schön und ich wurde gerade von einer anderen Dame hierüber geschickt, zwei neue neue Namen im Kopf, Esskastanie und Walnuss. Jetzt beschaue ich sie, die Namen im Kopf, Ast für Ast und Blatt für Blatt"
"Nein.", sage ich.
So kommt man ins Gespräch. Oder ich werde vielmehr besprochen, interessiert lauschend.
Ich erfahre, dass es hier nördlich der Schrebergärten ein Flüchtlingsheim gibt. Ehemals mit Sinti und Roma belegt, sollen dort jetzt also äußerst ordentliche Schwarze wohnen.
Warum interessiert mich das? Weil mir berichtet wird, dass die alte Belegschaft dazu tendierte, Nüsse und Früchte vor der Reife von den Bäumen zu schlagen und nicht goutierte Textilien dort zu belassen, wo sie die Kleiderspenden auspackte. Auf der Wiese.
Eine Veränderung, die, wie mein distinguiertes Gegenüber vermutet, mit dem Einzug der zumeist wohlhabenden neuen Nachbarn in der "Modernen Stadt" zu tun haben dürfte.
Nun, soll ich also der "Modernen Stadt" dankbar sein?
Mein Bauch sagt mir, dass wir einer Meinung sind. Wir beide bleiben, was den Punkt "Moderne Stadt" betrifft, undankbar.


Wie so oft, wenn ich Menschen im Park in einem kurzen oder längeren Dialog begegne, wird die "Moderne Stadt" eher mit Ärger verbunden. Ärger, Sorge, schlimmstenfalls Resignation. Sorge, dass die Hunde-Freilauffläche in ihr oder mit ihr aufgeht. Ärger, dass die Planer einfach planen, graben, Stützmauern ziehen und immer wieder mit Baumaßnahmen Genehmigungen und Entscheidungen vorwegnehmen. Gebaut oder gegraben ist eben gebaut oder gegraben.

Und obwohl ich nirgends ein Schild, dass mich auf diese Tatsache hinweisen würde, entdecken kann, ist der Johannes-Giesberts-Park ein ausgewiesenes Landschaftsschutzgebiet.
Wir sinnieren, wie die Planer es anstellen, geltendes Recht zu umgehen, Wege zu bauen, die Umlegung von Kinderspielplätzen, die eigentlich auf ihrem eigenen Gelände vorgehalten werden sollten, anzudenken. Wie es ihnen möglich ist, Versorgungsleitungen - Strom für die Beleuchtung des neuen Weges - unter die Erde zu packen, wo geltendes Recht genau dies in einem Landschaftsschutzgebiet untersagt. Warum? Um die Landschaft zu schützen. Wie kommen die Planer einer kommerziellen Neubausiedlung dahin, eine Schneise von acht Metern Breite in einen altes Waldstück zu hauen, ohne dass ihnen jemand auf die Finger klopft?

Es gibt Widerstand, so viel kann jeder erfassen, der sich die Zeit nimmt, entsprechende Aufrufe an den Eingängen des Parks zu lesen. Aber auch Widerstand geht irgendwann die Luft aus, wenn das was gilt an dieser Stelle nicht mehr zu gelten scheint.

Eine andere Hundeführerin bringt das zum Ausdruck, was ich hoffte, nicht hören zu müssen: "Na, wenn die Freilauffläche nicht mehr ist, dann fahre ich mit meinem Hund eben woanders hin." Resignation.

Ein Gewitter sprengt mich und die distinguierte Dame auseinander, das Gespräch verebbt in einem plötzlichen Wolkenbruch.

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